Satzung

Präambel
Die Stiftung möchte Forschungsvorhaben unterstützen, durch die Perspektiven und Handlungsprozesse von Kindern im Vorschul- und Grundschulter sichtbar und verstehbar gemacht werden und die damit als Grundlage für didaktische Entscheidungen in Kindergarten und Grundschule dienen können. Die Stiftung trägt ihren Namen in Erinnerung an Martha Muchow (1892–1933), deren wissenschaftliche Arbeiten als Pionierleistung für eine solche Forschungsrichtung gelten müssen.

Martha Muchow war von 1915–20 als Lehrerin an Hamburger Volksschulen tätig und arbeitete in ihrer Freizeit am Psychologischen Laboratorium. 1919 begann sie ein Psychologiestudium und arbeitete seit 1920 bei Prof. William Stern am Psychologischen Laboratorium als „wissenschaftliche Hilfarbeiterin“, promovierte 1923 und wurde 1930 wissenschaftliche Rätin am nun umbenannten Psychologischen Institut. Neben ihren Forschungsarbeiten war sie u.a. für die Einführung eines sozialpädagogischen Praktikums für Lehramtstudierende zuständig und leitete auch die Praktika auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendpsychologie an. Ende der 20iger Jahre begann sie mit den Vorarbeiten zu ihrer Studie „Der Lebensraum des Großstadtkindes“, die sie nicht mehr selbst fertig stellen konnte. Am 7. April 1933 wurden die beiden Professoren des Psychologischen Instituts fristlos ihrer Ämter enthoben. Sie erhielten Vorlesungsverbot und durften das Institut nicht mehr betreten. Martha Muchow mußte trotz schärfster Diffamierungen und Anfeindungen als „einzige Arierin“ die Abwicklung des Instituts übernehmen, das am 25. September 1933 verwaltungsmäßig an einen nationalsozialistischen Erziehungswissenschaftler übergeben wurde. Zwei Tage nach dieser Entlassung unternahm Martha Muchow einen Selbstmordversuch, dem sie am 29. September1933 erlag.

Ihre unabgeschlossene Arbeit „Der Lebensraum des Großstadtkindes“ wurde 1935 von ihrem jüngeren Bruder Hans Heinrich Muchow veröffentlicht, aber entsprechend der Zeitumstände nur einem sehr kleinen Kreis von Wissenschaftlern bekannt. Erst ein 1978 von Jürgen Zinnecker und Bruno Schonig herausgegebenes Reprint verschaffte der Studie Bekanntheit und breitere wissenschaftliche Resonanz. Die Besonderheit dieser Arbeit ist ihr – gegenüber der damaligen Wissenschaftsauffassung – grundlegend veränderter Ansatz: Im Mittelpunkt stand nicht der Einfluß der Umwelt auf das Kind, wobei Umwelt und Kind als feststehende Konstanten galten, sondern die Art und Weise, wie Kinder die sie umgebende Welt sehen, interpretieren und leben. Günter Mey sieht darin drei wesentliche Revisionen: Zunächst ein verändertes Subjektverständnis, das in der heutigen Sprache wohl als „produktiv realitätsverarbeitendes Subjekt“ (Hurrelmann 1983) betrachtet werden könnte. Damit einhergehend wurde ein verändertes methodisches Vorgehen vorgeschlagen, das dem Vorhandensein unterschiedlicher Perspektiven Rechnung tragen sollte und bei dem Muchow auf der Differenz zwischen Forscher- und Kind-Perpektive insistierte und damit das praktizierte, was heute als „qualitative Sozialforschung“ bezeichnet wird. Und drittens wurde der Anspruch formuliert, über eine Allgemeine (Entwicklungs-) Psychologie hinaus die konkreten „Weltbereiche“ der handelnden Subjekte einzubeziehen. In der Folge ist „Der Lebensraum des Großstadtkindes“ als „Pionierarbeit der deutschen Sozialforschung“ (Zinnecker) zur meist zitierten Studie in der neueren Kindheitsforschung geworden.

Berufsbiographie und Lebenslauf von Martha Muchow, ihre Verzahnung von Forschung, Lehre und Praxis sowie ihr spezifischer Forschungsansatz vor allem in der Studie „Der Lebensraum des Großstadtkindes“ veranlassten die Stifterin, Prof. Dr. Gertrud Beck-Schlegel, nach dem Tode ihres Ehemannes, Johannes M. Schlegel, im Sinne des gemeinsamen Testaments die Martha Muchow-Stiftung ins Leben zu rufen.

§ 1 Name, Sitz, Rechtsform
(1) Die Stiftung führt den Namen Martha Muchow-Stiftung.
(2) Sie ist eine rechtsfähige Stiftung des bürgerlichen Rechts.
(3) Sie hat ihren Sitz in Frankfurt am Main.

§ 2  Stiftungszweck
(1) Die Stiftung verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, wissenschaftliche Zwecke im Sinne des Abschnitts „Steuerbegünstigte Zwecke“ der Abgabenordnung.
(2) Die Stiftung ist selbstlos tätig; sie verfolgt nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke.
(3) Die Stiftung fördert Wissenschaft und Forschung auf dem Gebiet der Erziehungswissenschaft, und angrenzender Wissenschaftsgebiete soweit sie versuchen, die Perspektiven und Handlungsprozesse von Kindern bei ihrer Auseinandersetzung mit der sie umgebenden Welt sichtbar und verstehbar zu machen. Dabei unterstützt sie vorrangig die Erarbeitung, Veröffentlichung und Verbreitung von Theorien und Methoden der qualitativen Sozialforschung und dient insbesondere der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses.
(4) Die Stiftung hat sich außerdem die Würdigung und Weiterentwicklung des Lebenswerkes von Martha Muchow zur Aufgabe gemacht
(5) Der Stiftungszweck wird vor allem verwirklicht durch Unterstützung von Forschungsvorhaben, aber auch durch die Unterstützung von Veröffentlichungen und Tagungen. Die Unterstützung erfolgt in der Regel durch Zuschüsse zu den Sachkosten oder durch Stipendien bzw. Teilstipendien oder durch Werkverträge.
Dies kann einschließen die Gewährung von Zuschüssen zu den Kosten der Planung und Durchführung von Vorhaben, aber auch zur Veröffentlichung von Ergebnissen und wissenschaftlichen Diskussionen.
(6) Über die Vergabe von Stiftungsmitteln entscheidet der Vorstand der Stiftung. Er kann sich für die Vergabe von Stiftungsmitteln Richtlinien geben.
(7) Die Stiftung nimmt Anträge auf Förderung entgegen. Ein Rechtsanspruch auf die Zuwendung von Stiftungsmitteln besteht nicht.

§ 3  Stiftungsvermögen
(1) Das Stiftungsvermögen ergibt sich aus dem Stiftungsgeschäft.
(2) Das Vermögen der Stiftung ist in seinem Bestand grundsätzlich ungeschmälert zu erhalten. Ein Rückgriff auf die Substanz des Stiftungsvermögens ist mit vorheriger Zustimmung der Aufsichtsbehörde zulässig, wenn der Stifterwille anders nicht zu verwirklichen und der Bestand der Stiftung für angemessene Zeit gewährleistet ist.
(3) Wiederkehrende Leistungen gehören nur dann zur Substanz des Stiftungsvermögens i.S. von Absatz 1, wenn der Zuwender der Leistungen dies bestimmt.
(4) Das Vermögen der Stiftung kann durch Zustiftungen der Stifterin oder Dritter erhöht werden. Zuwendungen der Stifterin bzw. Dritter wachsen dem Stiftungsvermögen zu, wenn sie ausdrücklich dazu bestimmt sind. Die Stiftung ist berechtigt, nicht aber verpflichtet, Spenden und Zustiftungen anderer Personen als der Stifterin selbst anzunehmen. Über die Annahme oder Ablehnung entscheidet der Stiftungsvorstand.

§ 4  Erträgnisse des Stiftungsvermögens
(1) Verfügbare Mittel der Stiftung dürfen nur für die satzungsgemäßen Zwecke verwendet werden.
(2) Niemand darf durch Ausgaben, Leistungen oder Zuwendungen, die mit dem Stiftungszweck nicht zu vereinbaren sind oder durch unverhältnismäßig hohe Vergütungen begünstigt werden.
(3) Auf Beschluss des Vorstandes kann die Stiftung bis zur Höhe der in der Abgabenordnung vorgesehenen Höchstsätze Rücklagen bilden und ihre Mittel dem Stiftungsvermögen zuführen.
(4) Umschichtungsgewinne können nach Beschluss des Vorstandes dem Stiftungsvermögen zugeführt oder für den Stiftungszweck verwendet werden.

§ 5  Stiftungsorgane
(1) Organe der Stiftung sind der Vorstand und der Stiftungsbeirat.
(2) Die Mitglieder der Stiftungsorgane üben ihre Tätigkeit ehrenamtlich aus. Ihre Auslagen können Ihnen erstattet werden.
(3) Eine Doppelmitgliedschaft in den Organen ist nicht zulässig.
(4) Die Mitglieder der Stiftungsorgane haften nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit.

§ 6  Vorstand
(1) Der Vorstand besteht aus drei Personen.
(2) Dem ersten Vorstand gehören an
a) die Stifterin, Frau Professor Dr. Gertrud Beck-Schlegel
b) Herr Professor Dr. Gerold Scholz
c) Frau Professor Dr. Heike Deckert-Peaceman.
(3) Solange die Stifterin dem Vorstand angehört, erfolgt jede weitere Bestellung und Abberufung der Vorstandsmitglieder durch sie, im Falle ihrer längerfristigen Verhinderung auch durch den/die stellvertretende/n Vorsitzende/n.
(4) Die Stifterin ist Mitglied des Vorstandes auf Lebenszeit; sie hat jedoch wie jedes weitere Vorstandsmitglied das Recht, jederzeit aus dem Vorstand auszuscheiden. Die übrigen Mitglieder gehören dem Vorstand für die Dauer von fünf Jahren an. Vorbehaltlich der vorstehenden Regelungen in § 6 Absatz (3) ergänzt sich der Vorstand nach Ausscheiden der Stifterin aus dem Vorstand durch Kooptation. Wiederwahlen, auch mehrmalig, sind zulässig. Auch die nachfolgenden Vorstandsmitglieder sollen sich durch besondere Neigung für den Stiftungszweck auszeichnen und entsprechende Fachkompetenz aufweisen.
(5) Der Vorstand wählt aus seiner Mitte eine/n Vorsitzende/n und eine/n stellvertretende/n Vorsitzende/n auf die Dauer von fünf Jahren. Wiederwahlen, auch mehrmalig, sind zulässig.
(6) Vor Ablauf der Amtsdauer der auf bestimmte Zeit berufenen Mitglieder wählt der Vorstand vorbehaltlich der vorstehenden Regelungen in § 6 Absatz (3) deren Nachfolger. Der Vorstand soll zu Beginn seiner Amtszeit eine Liste mit geeigneten Nachfolgern erstellen und fortlaufend aktualisieren.
(7) Vorbehaltlich der Regelungen in § 6 Absatz (3) können nach Ausscheiden der Stifterin aus dem Stiftungsvorstand einzelne Vorstandsmitglieder auf einstimmigen Beschluss der anderen Vorstandsmitglieder jederzeit aus wichtigem Grund abberufen werden. Ihnen ist zuvor Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
(8) Scheidet ein auf bestimmte Zeit gewähltes Mitglied des Vorstandes vor Ablauf der fünfjährigen Amtsdauer aus dem Vorstand aus, wird ein Ersatzmitglied für eine volle fünfjährige Amtszeit gewählt.
(9) Die Wahl neuer Vorstandsmitglieder erfolgt einstimmig.

§ 7  Aufgaben des Vorstandes
(1) Der Vorstand verwaltet die Stiftung. Seine Mitglieder sind von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit, dürfen also auch mit sich selbst Rechtsgeschäfte abschließen.Zu den Aufgaben des Vorstandes gehören insbesondere
a) die Verwaltung des Stiftungsvermögens einschließlich der Buchführung und Rechnungslegung
b) die Vergabe der Erträge des Stiftungsvermögens zur Verwirklichung des Stiftungszwecks
c) die Entscheidung über die Förderung von Projekten nach Vorschlag oder Anhörung des Stiftungsbeirates oder einzelner seiner Mitglieder
d) die Anzeige jeder Änderung der Zusammensetzung des Vorstandes an die Stiftungsbehörde
f) die angemessene Öffentlichkeitsarbeit der Stiftung
g) die Wahrnehmung der Berichtspflichten gegenüber der Stiftungsbehörde und dem Finanzamt.
h) Beschlüsse nach den Maßgaben des § 13 dieser Satzung.
Der Vorstand kann sich bei der Erfüllung seiner Aufgaben der Hilfe sachverständiger Dritter bedienen.
(2) Der Vorstand vertritt die Stiftung gerichtlich und außergerichtlich. Jedes Vorstandsmitglied ist einzelvertretungsberechtigt.

§ 8  Beschlussfassung des Vorstandes
1) Der Vorstand wählt und fasst seine Beschlüsse mit einfacher Mehrheit der anwesenden Mitglieder. Er ist beschlussfähig, wenn mindestens zwei seiner Mitglieder anwesend sind. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme der/des Sitzungsleiterin/Sitzungsleiters den Ausschlag. § 6 Absatz (7) und § 13 Absatz (3) bleiben unberührt.
(2) Beschlussfassung im schriftlichen Umlaufverfahren (auch per Email) ist zulässig. In diesem Fall ist die Beteiligung aller Mitglieder des Vorstandes erforderlich. Wahlen sollen nur auf Sitzungen durchgeführt werden.

§ 9  Stiftungsbeirat
(1) Der Stiftungsbeirat besteht aus drei bis fünf Personen. Die Beiratsmitglieder werden vom Stiftungsvorstand für eine Amtszeit von fünf Jahren berufen. Mehrmalige Wiederberufung ist möglich. Jedes Beiratsmitglied hat das Recht, auf eigenen Wunsch jederzeit aus dem Stiftungsbeirat ausscheiden.
(2) Die Beiratsmitglieder sollen sich durch besondere Neigung für den Stiftungszweck auszeichnen und entsprechende Fachkompetenz aufweisen.
(3) Die ersten Mitglieder des Stiftungsbeirates werden durch den Stiftungsvorstand bestimmt.

§ 10  Aufgaben des Stiftungsbeirates
(1) Der Stiftungsbeirat berät und unterstützt den Vorstand bei der Aufgabenerfüllung im Hinblick auf den Stiftungszweck, hat jedoch keine Entscheidungskompetenzen im Hinblick auf die Zweckverwirklichung. Zu seinen Aufgaben gehören Empfehlungen und Vorschläge zur Umsetzung des Stiftungszwecks gegenüber dem Vorstand.
(2) Der Stiftungsbeirat trifft bei Bedarf zu einer Sitzung zusammen. Er fasst seine Beschlüsse mit einfacher Mehrheit der anwesenden Mitglieder. Er ist beschlussfähig, wenn mindestens zwei seiner Mitglieder anwesend sind. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme der Sitzungsleiterin/des Sitzungsleiters den Ausschlag.
(3) Beschlussfassung im schriftlichen Umlaufverfahren (auch per Email) ist zulässig. In diesem Fall ist die Beteiligung aller Mitglieder des Beirates erforderlich.
Näheres kann eine vom Stiftungsvorstand zu erlassende Stiftungsbeiratsordnung regeln.

§ 11 Geschäftsführung
(1) Bei der Verwaltung und Anlage des Stiftungsvermögens ist die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zu beachten. Für die Anlage und Verwaltung des Stiftungsvermögens erlässt der Stiftungsvorstand Anlagerichtlinien.
(2) Der Vorstand ist von der/dem Vorsitzenden oder von der/dem stellvertretenden Vorsitzenden zu Sitzungen einzuberufen, so oft dies zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung erforderlich erscheint, mindestens jedoch einmal im Jahr. Der Vorstand ist außerdem einzuberufen, wenn mindestens zwei seiner Mitglieder dies verlangen.
(3) Das Geschäftsjahr der Stiftung ist das Kalenderjahr. Der Vorstand erstellt nach Ablauf des Geschäftsjahres einen Jahresbericht und eine Jahresabrechnung . Die Jahresabrechnung, ein Tätigkeitsbericht sowie eine Vermögensaufstellung sind innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahres an die Aufsichtsbehörde einzureichen.

§ 12  Stiftungsaufsicht
Die Stiftung unterliegt der staatlichen Aufsicht nach Maßgabe des jeweils geltenden Stiftungsrechts.

§ 13  Aufhebung der Stiftung, Zusammenlegung, Änderung der Satzung
(1) Anträge des Vorstandes an die Aufsichtsbehörde auf Satzungsänderung sind zulässig.
(2) Anträge auf Aufhebung, Zweckänderung oder Zusammenlegung mit einer anderen Stiftung sind nur bei wesentlichen Änderungen der Verhältnisse zulässig.
(3) Für Entscheidungen nach § 13 Absatz (1) und (2) ist ein einstimmiger Beschluss aller Vorstandsmitglieder notwendig. Zuvor ist der Stiftungsbeirat anzuhören; ein Entscheidungsrecht hat er jedoch nicht.
(4) Anträge nach § 13 Absatz (2) bedürfen zudem der Zustimmung des zuständigen Finanzamtes.

§ 14  Anfallberechtigung
Im Falle der Auflösung oder Aufhebung der Stiftung oder bei Wegfall steuerbegünstigter Zwecke fällt deren Vermögen an die Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt/Main, die es ausschließlich und unmittelbar und für gemeinnützige, mildtätige und kirchliche Zwecke zu verwenden hat, die den Stiftungszwecken nach § 2 dieser Satzung möglichst nahe kommen.