Stiftungsarbeit

Die Martha Muchow-Stiftung fördert Wissenschaft und Forschung auf dem Gebiet der Erziehungswissenschaft und angrenzender Wissenschaftsgebiete soweit sie versuchen, die Perspektiven und Handlungsprozesse von Kindern bei ihrer Auseinandersetzung mit der sie umgebenden Welt sichtbar und verstehbar zu machen.

Nach mehreren Gesprächen mit jungen Wissenschaftlerinnen entwickelte sich die Idee eines über eine längere Zeit geplanten Forums um die Frage nach dem Generationenverhältnis im Rahmen gegenwärtiger Entwicklungen offen, aber wissenschaftlich fundiert diskutieren zu können.


Foren

Studientag Kindheitsforschung 2019

Am 23. Mai 2019 führte die Martha-Muchow Stiftung in Kooperation mit dem Fachbereich Erziehungswissenschaften der Goethe-Universität einen Workshop zur Bedeutung der Orientierung der Stiftung an den Perspektiven und Handlungsprozessen von Kindern durch. Es ging um eine Klärung der Formel „„Zur Perspektive des Kindes“”.

Die Vorträge von Prof. Dr. Gertrud Beck, Prof. Dr. Gerold Scholz, Prof. Dr. Maike Baader, Prof. Dr. Michael Sebastian Honig, eine intensive Diskussion nach den Vorträgen und eine von Prof. Dr. Heike Deckert-Peaceman moderierte Abschlussdiskussion motivierten zur Herausgabe des Buches Zur Frage nach der Perspektive des Kindes.

Das Bild des unschuldigen Kindes und seine Verwendung, 2024

In der Auseinandersetzung zwischen divergierenden gesellschaftlichen und kulturellen Interessengruppen findet sich häufig der Verweis auf Kinder. Es ist allerdings kein Verweis auf deren Interessen, sondern auf ein von der Erwachsenenkultur entwickeltes und geprägtes Bild des „unschuldigen Kindes“. Auf der Grundlage der tatsächlichen Vulnerabilität von Kindern, der Notwendigkeit sie zu schützen, werden jeweilige Interessen als Anwaltschaft für Kinder ausgegeben. Das Bild des „unschuldigen Kindes“ ähnelt dem im Zuge der Kolonialisierung entstandenen Bild des „Wilden“. Beide sind naiv, beide sind gefährdet und zumindest aufgrund ihrer Naivität auch gefährlich. Man muss sie schützen und man sich vor ihnen schützen.

Keine Kultur, so schrieb Mollenhauer 1983, lässt Kinder ungebremst auf die Wirklichkeit aufprallen.[i] Damit ist auch ein Tabu beschrieben. Argumentativ bedeutet dies, dass der Verweis auf die Verletzung eines unschuldigen Kindes die Botschaft enthält, dass darüber nicht rational und argumentativ verhandelt werden darf und kann. Rhetorisch verlangt der Verweis auf das unschuldige Kind, dass nur Gefühle formuliert werden dürfen.

Diese Redepraxis ist nicht neu. Wir haben uns unter anderem deshalb zu diesem Thema entschieden, weil in einer sich polarisierenden Kultur und Gesellschaft – weltweit, in Deutschland, aber auch lokal – diese Redepraxis sich nicht nur in vielen Feldern finden lässt, sondern, so unser Eindruck, auch quantitativ und qualitativ zunimmt.

Wir wollen dieser Praxis nicht folgen, sondern eine akademische Diskussion führen. Mit einer Einleitung und zwei Vorträgen sollen Impulse für Diskussionsbeiträge und mögliche Forschungsperspektiven geleistet werden.

Entwicklung der Fragestellung

Die Zielsetzung der Martha-Muchow-Stiftung ist in ihrer Satzung festgelegt: „Die Stiftung fördert Wissenschaft und Forschung auf dem Gebiet der Erziehungswissenschaft, und angrenzender Wissenschaftsgebiete soweit sie versuchen, die Perspektiven und Handlungsprozesse von Kindern bei ihrer Auseinandersetzung mit der sie umgebenden Welt sichtbar und verstehbar zu machen.“

Im Februar 2023 hatten Vorstand und Beirat der Stiftung mit von der Stiftung geförderten jungen Wissenschaftlerinnen diskutiert, wie in Zukunft diese Zielsetzung umgesetzt werden könnte. Verabredet wurde die Durchführung eines ersten Forums im Jahre 2024 als Auftakt für weitere Foren und mögliche Veröffentlichungen. Ein zentraler Begriff war der der Krise, sowohl als gesellschaftliche wie als erziehungswissenschaftliche. Und damit verbunden die Frage, welche Bedeutung der unterstellte Krisenmodus für Kinder haben kann und wie sie damit umgehen können. Die Bearbeitung der Frage nach der Perspektive der Kinder setzt eine intensive Analyse der Rahmenbedingungen voraus, die gesellschaftlich bestimmt werden und von Kindern kaum beeinflusst werden können. Offen geblieben war im Februar 2023 an welchem konkreten Beispiel sich die erste Tagung zu dem Themenkomplex orientieren soll.

Der Vorstand der Stiftung hat sich für das Thema „Das Bild des unschuldigen Kindes und seine Verwendung“ entschieden. Dies aus mehreren Gründen. Ein Grund ist die Verbindung zwischen Erziehungswissenschaft und Gesellschaft. Bühler-Niederberger schreibt: „Durch das Kind wird Unschuld einprägsam, anrührend und mit höchster Autorität verkörpert. Die Macht der Unschuld beansprucht Natur und Heiligkeit als ihre Referenzen. In ihrem Einsatz, ihrer Wirkung und auch in ihrer keineswegs unschuldigen Konstruktion ist sie jedoch ganz von dieser Welt: Sie ist eine gesellschaftliche Macht.“[ii] (2005, S.9)

Ein zweiter Grund ist die Gegebenheit, dass, wie der Verweis auf die Ähnlichkeiten zwischen den Bildern des „wilden Kindes“ und dem „wilden Eingeborenen“ zeigt, es sich um eine Konstruktion handelt, die auf unterschiedlichen Feldern anzutreffen ist. Schließlich gibt es einen aktuellen Anlass, auf den Bühler – Niederberger schon 2005 verwiesen hatte, dessen Bedeutung aus unserer Sicht aber sehr stark zugenommen hat: „Die Macht der Unschuld ist eine dreifache. Sie signalisiert Gefahr, verspricht Rettung — wie sie beide die Gesellschaft umfassend betreffen — und sie kann über moralische Zugehörigkeit schlechthin entscheiden: Steht man ihr entgegen, so bewirkt sie Ausschluss aus dem Kreis derjenigen, denen gesellschaftliche Anerkennung noch zukommen kann, stellt man sich in ihren Dienst, so garantiert sie für den quasi natürlich guten Menschen und heiligt die Sache, die man vertritt.“ (ebd.)

Rahmung des Forums

Es gibt eine Einleitung und zwei Vorträge. Zeitlich liegt der Schwerpunkt des Treffens auf gemeinsamer Diskussion. Dabei zeichnen sich vier Orientierungen ab. Eine Diskussion wird sich auf die Themen und Thesen der Referent:innen beziehen. Eine zweite wird fragen, in welchen Feldern sich das allgemeine Phänomen der Berufung auf Kinder beobachten lässt. Drittens soll versucht werden zu sammeln, welches Wissen über den Umgang von Kindern mit der von den Erwachsenen interessenorientierten Konstruktion des unschuldigen Kindes vorliegt. Viertens werden Inhalt und Form eine Folgetagung diskutiert werden und damit die Frage, welche Forschungsperspektiven möglich sind.

[i] Mollenhauer, Klaus: Vergessene Zusammenhänge. Über Kultur und Er­ziehung, München 1983

[ii] Bühler-Niederberger, Doris (2005): Einleitung: Der Blick auf das Kind – gilt der Gesellschaft. In: Dies. (Hrsg.): Macht der Unschuld. Das Kind als Chiffre. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften

Kindheit als Menschenrecht zwischen normativen Ansprüchen und Instrumentalisierung, 2025

Die Martha Muchow-Stiftung veranstaltet am 13. Februar 2025 von 12 bis 19 Uhr ein wissenschaftliches Forum zu dem Thema: „Kindheit als Menschenrecht zwischen normativen Ansprüchen und Instrumentalisierung“.

Diese Tagung ist die zweite in einer geplanten Reihe, die 2024 unter dem Titel „Das Bild des unschuldigen Kindes und seine Verwendung“ begonnen hat. 2024 gab es zwei Vorträge: Doris Bühler-Niederberger sprach über Die Macht der Unschuld – Geschichte und Gegenwart ihrer politischen Vereinnahmung, Heike Deckert-Peaceman über Die neue Rechte und das Kind.

Das Tagungsthema für die Tagung im Februar 2025 ist ein Ergebnis der anschließenden Diskussion: Inwiefern ist „Kindheit“ ein Menschenrecht und wie lässt es sich zwischen systematischer Instrumentalisierung von Kindern und deren Recht auf eine Auseinandersetzung mit von Erwachsenen vertretenen gesellschaftlichen und kulturellen Normen denken.

Zeitlicher Ablauf

12.15 Begrüßung: Charlotte Röhner
12.45 Pause
13.15 Michael Klundt: Kinderrechte und Kinderarmut in Krisen-Zeiten
14.00 Diskussion Leitung: Charlotte Röhner
14.45 Pause
15.15 Christian Stewen: Blicke – Wissen – Macht: Konstruktionen kindlicher (Un-)Schuld im Kriminalfilm
16.00 Diskussion Leitung: Gerold Scholz
16.45 Pause
17.15 Abschlussdiskussion: Leitung: Heike Deckert-Peaceman
19.00 Gemeinsames Abendessen